4.12 – 15.12. 09
Sonnige Grüße aus Sydney ihr Lieben! Da ich weiß wie beschissen das Wetter bei euch daheim ist, trau ich mich garnicht von meinem Strandtag vom Bondi Beach in Sydney zu berichten, mit den Meterhohen Wellen, den angenehmen 30 Grad, meinem leichten Sonnenbrand und den äußerst leicht bekleideten Strandmodels. Sorry.
Als ich das letzte Mal berichtete waren wir auf dem Sprung nach Canberra. Wir steuerten also den Freeway an und blieben dort für knappe 400 Kilometer. Der Weg in die Stadt war ziemlich ereignislos. Wieder unendliche Outbackweiten, tote und ordentlich an den Straßenrand gelegte Känguruhs und ziemlich wenig Verkehr. Ich muss sagen mein Schätzchen läuft besser den je, auch wenn ich jeden Tag etwas Wasser nachkippen muss. Nachmittags erreichten wir Canberra von Norden.
Wir besorgten uns einen Stadtplan und stellten fest, das es hier nicht allzuviel zu entdecken geben wird. Wir kauften bei Woolworth das Wichtigste ein und checkten unsere Mails bei McDoof, wo sonst. Als die Nacht hereinbrach machten wir uns auf den Weg zum nächstgelegenen Campingplatz, der unfassbarer Weise ausgebucht war. Notgedrungen kurvten wir stundenlang durch Canberra, um ein schattiges Plätzchen zu finden, an dem wir in meinem Auto übernachten konnten. Kurz vor einem Tobsuchtsanfall fanden wir einen gleich neben einem Zementwerk, oder soetwas Ähnlichem. Am nächsten morgen begaben wir uns auf den nächstgelegenen Campingplatz. Wir verbrachten den Tag mit absoluter Entspannung (der Tag an dem ich den Beitrag über Griffith verfasste), und beschlossen am nächsten Tag etwas aktiver zu sein. Wir besuchten das äußerst moderne und beeindruckende Parlamentsgebäude, welches sich unglaublich besucherfreundlich gab, mit vielen Informationen, einem Café und jeder Menge weicher Ledersessel.
Nur zu empfehlen. Danach drehten wir eine Runde zum See, welcher die Stadt in zwei Bereiche teilt. Zu sehen gab es ein paar schöne, große Gebäude, die zumeist Museen beinhalteten, eine 145 Meter hohe Wasserfontäne mitten auf dem See und ein, für mich, hochinteressanten Oldtimer Treff. Abends dachten wir über die nächsten Tage nach und beschlossen WWOOFEN zu gehen. WWOOFEN bedeutet das man auf einer Farm ein paar Stunden am Tag arbeitet und man dafür Verpflegung und Übernachtungsmöglichkeiten, sozusagen als Bezahlung, bekommt. Kathrin bekam prompt eine Zusage von einer Farm, ca. 80 Kilometer nördlich von Sydney. Da wir uns nicht vorstellen konnten weitere sinnvolle Tage in Canberra verbringen zu können, machten wir uns gleich am nächsten Morgen auf den Weg zur Farm.
Es ging also nach drei Tagen wieder los, ganz nach meinem Geschmack. Ein bisschen Wasser reinkippen, Öl checken, Reifen überprüfen und ab auf die Piste. Wir fuhren ca. 6 Stunden. Im Auto waren es realistisch geschätzte 50 Grad, wir machten insgesamt vielleicht 10 Minuten Pause und waren gespannt auf das was uns erwartete.
Mit etwas Wehmut nach der Menschen und Partys quälten wir uns von Süden nach Norden durch Sydney, durchquerten eine kleine Stadt namens Hornsby, schlängelten uns auf Serpentinen entlang einen Berg hinunter (mit dem beunruhigenden Gedanken im Hinterkopf, das mein armes Auto das auch wieder zurück schaffen muss), und erreichten eine Fähre, die uns über einen Fluss ins Land der von der modernen Gesellschaft abgekapselten Farmer und Farmerinnen brachte. Ich lüge nicht wenn ich euch sage, dass direkt nach der Überquerung des Flusses, was keine 5 Minuten dauerte, unsere Handys keinen Empfang mehr hatten, die Straßen unbefestigt wurden und mit zahllosen Schildern auf Kühe, Pferde und die üblichen Verdächtigen hingewiesen wurde, das diese dumm auf den Straßen herumstehen könnten. Astrein, dachte ich mir, unbefestigte Straße und ab und zu ein Hinderniss, kein Problem. Das sind dann die Momente, bei denen ich kindlich vor Freude jappse, dass ich mir einen Jeep gekauft habe. Für solche Fahrten müsste man irgendwo anders auf der Welt Geld bezahlen. Nach 40 Kilometern erreichten wir, ich mit einem Grinsen im Gesicht, die Farm “Kathmandu” von Terry und Ursula Prince. Auf dem Weg dahin ist uns nicht allzuviel Zivilisation entgegengekommen. Zwischen Fähre und Farm lag die City von St. Albans, die aus einem Pub bestand. Ansonsten nur mehrere Schilder, die auf die Farmen der Einwohner St. Albans hinwiesen. Vorsichtig schlängelten wir uns den Weg hoch auf das Grundstück von den Beiden und parkten neben einem schön bunt bemalten Caravan. Sofort wurden wir herzlich begrüßt von Ursula und ihrem kleinen Muskelhund Gipsy. Doch bevor wir weiter fortfuhren, musste ich mich mit Erstaunen feststellen das mein rechtes Hinterrad platt war. “Glück gehabt dass ihr hier geparkt habt, denn ihr werdet in dem Caravan schlafen.” Ein geringer Trost. Nachdem ich das kaputte Rad in die Tiefen meines Hinterkopfes verdrängt hatte, ging es dann ans Auspacken und ans Begrüßen des Hausherrn. Terry, ein graubärtiger, schätzungsweise Mittsechziger, mit trägen Augen, der immer so aussieht, als ob er gleich zusammenbrichen würde. Er ist das genaue Gegenteil von Ursula. Sie ist eine echte Schweizerin, genauso wie man sich eine Schweizerin vorstellt. Zwar cirka genauso alt, aber fit wie eh und je. O-Beinig erklimmt sie mühelos jeden Berg, freut sich über jedes einzelne Tierchen, dass ihr vor die Augen kommt, ob Ameise, Spinne oder Vogel.
Kurz zur Farm. Eigentlich ist es keine richtige Farm. Es ist mehr ein riesiges Grundstück mitten im Busch, welches sich einen Hügel hinaufschlängelt. Darauf befinden sich 1 Haus, 1 Garage, 1 Caravan, 2 Menschen, 2 Pferde, 1 Hund, 8 Hühner und ein Gockel, ab und zu ein 2 Meter langer Leguan, der sich gerne mit dem Muskelzwerg anlegt und unzählige unterschiedlichste Wald- / Buschbewohner. Alles ist völlig unabhängig durch Solaranlage und Bergwasser. Das Gefieder und die Pferde werden mittags immer freigelassen und toben sich völlig frei auf dem Grundstück aus. Es kann sozusagen passieren, dass, während man grad bei einer Zigarette im geparkten Auto chillt, dich ein großer Pferdekopf durchs offene Fenster fragend anstarrt, die Hühner im Schatten der Bäume neben dem Caravan dümmlich in den Boden picken und die liebenswerte Killermaschine meckernd vor einem Stock lauert, der sich einfach nicht bewegen will. Wenn man dann den Drang hat sein verdautes, überaus köstliches Mittag (köstlich natürlich bevor es verdaut wurde) ans Sonnenlich zu transportieren, schwingt man sich auf das unglaublich Plumpsklo, welches mitten am Hang angebracht wurde und zur Hangseite völlig offen ist, und genießt den famosen Ausblick, während man, naja, kackt. Einfach genial. Ursula kam in den 70ern nach Australien und traf hier ihren Terry. Terry selbst ist gebürtiger Engländer, hatte lustigerweise für mehrere Jahre in der Schweiz gelebt und gearbeitet, im gleichen Dorf in dem auch Ursula wohnte. Auch er kam in den 70ern hauptsächlich wegen des kalten Schweizer Wetters nach Australien underst dort trafen sich die Beiden. Tolle Geschichte. Jedes Mal als wir gemeinsam beim Essen saßen erzählten uns die beiden mehr und mehr aus ihrem Leben. Das krasseste, wie ich fand und weil man das dem gebrechlich aussehendem Mann nicht zugetraut hätte, ist, dass er sich jedes Jahr auf sein selbstumgebautes 70 Jahre altes Motorrad mit Beiwagen schwingt, und auf einem ausgetrockneten Salzsee in den USA, zusammen mit anderen, Geschwindigkeitsrennen fährt. Das ist ganz offiziell und dort werden alle Geschwindigkeitsrekorde aufgestellt die es gibt. Autos schaffen dort um die 1000 Kilometer die Stunde, Motorräder knappe 600. Terry ist Rekordhalter (!) für Motorräder mit Beiwagen, die zwar wegen dem Extra an der Seite nicht ganz so abgehen, aber immerhin auf über 160 Stundenkilometer kommen. Man bedenke sein Motorrad ist aus den dreißiger Jahren. Er hat es komplett umgebaut, hundert PS hinzugefügt und absolut und enorm tiefergelegt. Wie man sich doch in Menschen täuschen kann.
Ich könnte seitenweise über die Storys der Beiden am Esstisch berichten, aber das würde den Sinn eines Blogs widersprechen. Ich kann nur sagen, dass wir dort sieben schöne Tage verbracht haben, nicht soviel gearbeitet haben und wundervoll versorgt wurden. Wir sind mit den Pferden geritten, haben zusammen mit Ursula den Busch erkundet, haben aus selbst gefällten Bambusbäumen ein Vordach und ein Pavillon für ihre Rosen gebaut, ich hab mich an große Spinnen gewöhnt (hab sogar 2 Spinnenhäute mitgehen lassen), wir haben ausgiebig mit der süßen Kampfmaschine gespielt und geschmust, haben gemütliche Fernsehabende verbracht und haben sogar an einem Dorffest teilgenommen.
Das Fest war eigentlich eine Weihnachtsfeier bei der Dorffeuerwehr. Ich denke es waren alle aus der Gemeinde anwesend. Um die 100 Leute vielleicht. Alle mit dicken Allradjeeps und fast alle mit ihrem Hund. Die Atmosphäre war schon erstaunlich. Alle kennen sich, haben Spaß, unterhalten sich, tanzen (allen voran Terry und Ursula), lassen ihre Hunde von der Leine und trinken Bier, welches sie sich selbst mitgebracht haben oder im Pub gekauft haben. Schon verwirrend wenn mitten im Dezember bei angenehmen 30 Grad, ein Feuerwehrauto mit Blaulicht und einem Mann, verkleidet als Santa Klaus, an einem vorbeifährt und den Kindern Geschenke mitbringt. Die Leute waren sofort freundlich und offen zu uns und rückten mit ihren Geschichten heraus. Ein ganz besonderer Abend wie ich finde.
Zum Abschied bekamen wir sogar jeder ein kleines persönliches Geschenk von Ursula überreicht und ich nahm mir vor die Beiden am Ende meiner Reise auf jeden Fall noch einmal zu besuchen.
Mit gewechseltem Hinterrad ging es dann zurück nach Sydney. Die nächsten Tage sind wir erstmal in einem netten kleinen Hostel untergebracht, in Kings Cross, unweit von unserem letzten Hostel vor unserer Abfahrt aus Sydney vor über 3 Wochen. Nun sitz ich hier, frisch rasiert und musste vor ein paar Minuten vom Balkon aus beobachten, wie sich eine ganz normal aussehende junge Frau 5 Mal den Finger in den Hals steckte und sich übergab und ich denke: Ich bin wieder zurückgekehrt in die moderne Gesellschaft, zurück in der realen Welt. Terrys und Ursulas kleines Paradies, fernab von alldem Trubel hier in der Großstadt, war vielleicht nur ein kurzer Traum von einer anderen, friedlicheren Welt. Ich weiß nicht was die nächsten Tage bringen, aber ich denke ich bleibe hier bis Neujahr und dann mache ich mich vom Acker.
Viele liebe Grüße nach Hause zu euch und schöne Weihnachten! Hab euch alle lieb!